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Flugbenzin

Seinen richtigen Namen kannte nicht mal er selbst. Flugbenzin hieß Flugbenzin, weil alle ihn so riefen, Freunde und Feinde, d. h., Freunde hatte er eigentlich nicht. Aber es gab die Männer in den weißen Overalls, die für seine Wartung zuständig waren, Naseputzen, Haareschneiden, Arschabwischen etc. Aber vor allem taten sie das eine: sie füllten ihn mit Flugbenzin. "Trink, Brüderchen, trink!" riefen diese rauhen Gesellen. Und wenn er mal nicht trinken mochte, trieben sie die Schläuche tief in seinen Schlund und jagten das Naß mit hohem Druck in ihn hinein, so lange und so oft, bis Flugbenzin schließlich zu 99 % aus diesem Zeug bestand, dem er seinen Namen verdankte: Flugbenzin.

"Warum tut ihr das?" klagte Flugbenzin. "Ich werde fetter und fetter, und eines Tages werde ich aussehen wie ein Elefant." "Das bringt uns auf eine Idee", riefen die Techniker und montierten links und rechts riesige Elefantenohren an seinen Kopf, "wenn du damit kräftig wackelst, wirst du wie ein Adler steil gen Himmel steigen."
"Der Mensch ist kein Vogel", wandte Flugbenzin ein. Vergebens. Einmal die Woche schleiften sie ihn zur Flugstunde. Dann setzten sie ihn auf das hohe Gestell, pflanzten sich unten hin und brüllten: "Flieg, Brüderchen, flieg!" Und wenn er keine Anstalten machte, sich vom Sitz zu erheben, und stattdessen ängstlich das Gestänge umklammerte, rappelten sie so lange an den Streben, bis er hinunterpurzelte und tiefe Löcher in die Landebahn schlug. "Du sollst unsere Piste nicht kaputtmachen, sondern fliegen", schimpften die Techniker. Man konnte es ihnen nicht verdenken. Denn sie waren für die Dinge verantwortlich.

So ging das ein ums andre Mal. Das Flugfeld wurde langsam löchrig wie ein Schweizer Käse und die Techniker der vielen Fehlschläge überdrüssig. Da kam der Tag, an dem einen Mann das Verlangen überfällt, auf Brautschau zu gehen. So auch Flugbenzin. Die Natur versetzte ihn mit einer solchen Heftigkeit in diesen Zustand, daß man ihn tagaus, tagein mit vor Aufregung feuchten Händen, klopfendem Herzen und einer Nelke im Knopfloch auf dem Flugplatz herumflanieren sah. Aber die Zeit verstrich, ohne daß seine Bemühungen von Erfolg gekrönt wurden: weil nämlich sämtliche Frauenzimmer panisch Reißaus nahmen, wenn sie seiner auch nur von ferne ansichtig wurden. Ein fetter Typ mit Elefantenohren ist eben kein flotter Feger!

Es sprach sich aber rum, daß da ein komischer Kauz ein Weibsbild suche und kam auch den Technikern zu Gehör. "Du wünschst eine Frau?" erkundigten sich diese Schelme, und ihre Augen strahlten vor Überzeugungskraft. "Wir haben eine Frau für dich, die ist so gut wie jede andere. Die wird dir ein treusorgendes Eheweib sein!" Und mit feierlichem Gehabe überreichten sie ihm einen verbeulten Brennofen, den sie eigens zu diesem Zweck einem Trödler abgeschwatzt hatten. Flugbenzin, der nur eine höchst unklare Vorstellung von der holden Weiblichkeit hatte, schlug ein: "Freunde wie euch findet man nicht alle Tag!" Und weil Flugbenzin niemals aufgeklärt worden war, hielten die Spaßvögel auch gleich noch einen Rat für ihn bereit: "Du mußt sie tüchtig heiß machen, bevor du dein Ding in sie reinsteckst." Dann suchten sie schleunigst das Weite und richteten aus sicherer Entfernung ihre Feldstecher zurück. Wer würde sich ein solches Schauspiel entgehen lassen?

Nachdem er, die Empfehlung der Freunde beherzigend, im Inneren seiner Gemahlin einen wärmenden Brand entfacht hatte, nahm Flugbenzin das lose Ende seines langen, luntenförmigen Glieds und hielt es durch die Luke direkt in die Flamme. Das tat zwar höllisch weh. Aber die Aussicht auf ein glückliches Familienleben versüßte den Schmerz. "Wir werden viele Kinder haben", jubilierte Flugbenzin, während sich das Feuer langsam daran entlangfraß. "Wir werden einander achten und ehren. Und vor allen Dingen verspreche ich dir eins: ich werde immer zärtlich zu dir sein." Dann detonierte er.