Matthias Schamp - Mönchengladbacher Mömenta
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Helmut Dick, Amsterdam
Mark Formanek, Berlin
Ruppe Koselleck, Münster
Matthias Schamp, Bochum
Roi Vaara, Helsinki
Am Theatervorplatz befindet sich auch das Hauptquartier der Mönchengladbacher MÖMENTA. Von hier aus starten die Aktionen, die die Hindenburgstraße zwischen Bahnhof und Alter Markt bespielen. Hier gibt es Videos und anderes Material zu besichtigen und die Künstler stehen Rede und Antwort. Wenn Mark Formanek nicht gerade mit dem Tröster unterwegs ist und die Einkaufszone tröstet, kann man hier bei ihm z. B. kleine Dinge mittels Tauschkoffer gegen andere kleine Dinge umtauschen, die dabei en passant eine Bedeutungsaufladung erfahren.
Samstag 5. November und Sonntag 6. November,  jeweils 13-18 Uhr
Hindenburgstraße zwischen Bahnhof und Alter Markt, Theatervorplatz 
KÜNSTLER:
KONZEPT & ORGANISATION:
Matthias Schamp
Der diesjährige Art Saturday läuft unter dem Titel Mönchengladbacher MÖMENTA. Künstlerisch gestaltete Momente blitzen im innerstädtischen Getriebe auf und entfalten ihren poetischen Reiz. Oder erzeugen Reibungen. Das ist keine statische Kunst, die bloß bedeutungsschwer rumsteht. Sondern die Künstler initiieren Aktionen, Interventionen, Prozesse, die ein Wechselspiel mit den alltäglichen Prozessen und der gewohnten Umgebung der Einkaufszone eingehen.
Mönchengladbacher MÖMENTA
Der Passant kann sich einfach überraschen lassen oder gern auch in Dialog mit den Akteuren treten.
Zum Beispiel am Theatervorplatz, wo Ruppe Koselleck und sein Büro für deflationäre Maßnahmen u. a. die feindliche Übernahme von BP vorbereitet. Oder auch das absichtsvolle Verlieren von Geld zu Kunst erklärt.
Der Münsteraner ist als Künstler vor allem Kommunikator. Seine bürokratische Vorgehensweise stiftet Sinnverwirrung: z.B. wenn er Politikern einen mit "Kommunikation ist Korruption" bestempelten Geldschein zukommen lässt. Oder wenn er in Filialen eines schwedischen Möbelhauses die ausgestellten Glasrahmen ungefragt mit Fotos aus seinem Familienleben bestückt und dies unter dem Titel Ich und Ikea dreist zur Austellung erklärt. Die von ihm initiierten Projekte ähneln Eulenspiegeleien mit viel Witz und philosophischer Doppelbödigkeit. 
Die Einkaufszone als Kunstraum erfordert spezielle Herangehensweisen, um den künstlerischen Hervorbringungen im Durcheinander sich überschlagender Zeichen, Bilder und Geschehnisse zur Durchsetzung zu verhelfen. Der Bochumer Aktionskünstlers Matthias Schamp macht sich daran, den Trubel zu toppen! Ausgestattet mit Megaphonen und T-Shirts mit der Aufschrift "Schaufensterlesung", dem Titel der Aktion, schreitet er gemeinsam mit drei Assistenten die Hindenburgstraße ab. Dabei werden die den Aktionisten zu Gesicht kommenden Texte (auf Plakaten und Schildern, auf den T-Shirts und Einkaufstüten der Passanten, in den Fenstern und auf den Fassaden) ohne eigene Worthinzufügungen laut vorgelesen. Zum Vortrag kommt das Allover an Information, das als im Unbewussten wirkende Geschwätzigkeit den öffentlichen Raum überzieht und auf diese Weise einmal massiv über die Wahrnehmungsschwelle katapultiert wird. 
Den umgekehrten Weg geht der finnische Performer Roi Vaara. Der allgemeinen Gier nach Spektakel setzt er bewusst eine extrem reduzierte Haltung entgegen. Auf einem Marktplatz in Polen stand er stundenlang mit einem Strauß Tulpen im Arm, die sich am Ende traurig durchbogen, einzig und allein um, wie er sagte, "a beautiful view“ abzugeben: einen wunderschönen Anblick! Als komplett weiß getünchter White Man ist er in Mönchengladbach unterwegs und bringt sich in Alltagssituationen ein. In einer Zeit der Dresscodes und Labels bedeutet das White-Man-Sein bewusste Zurücknahme, die den Künstler zur Projektionsfläche werden lässt – wie eine leere Leinwand. 
Helmut Dick hingegen ist Spezialist für Überraschungen – eine echte Herausforderung für alle, denen das kindliche Staunen abhanden gekommen ist. Ob der Amsterdamer Künstlers in Berlin am Fuße eines Hochhauses und zur Verwunderung seiner Bewohner "ein Salatfeld so groß wie ein Hochhaus" anlegt, in Essen mit dem Hades-Taxi drei Skelette durch die Gegend kutschiert oder einem Schlossturm in Ringenberg eine gigantische Pudelmütze aufsetzt – dezidiert setzen sich seine Arbeiten mit der jeweiligen Umgebung auseinander und versuchen die altvertrauten Strukturen aufzubrechen. In Mönchengladbach ist er mit dem Rising Dog unterwegs. Aus dem Dach eines fahrenden Mercedes hebt und senkt sich ein ausgestopfter Schäferhund.
Um dem immensen Trostbedarf gerecht zu werden, gibt es mittlerweile Outdoor-Versionen, die sich zur Beschallung ganzer Plätze, Gebäude und Menschengruppen eignen. Im Schritttempo fährt der Künstler in seinem Tröster-Mobil die Hindenburgstraße ab, immer wieder innehaltend an Stellen, die besondere Zuwendung erfordern. Über Lautsprecher schallt ein Text: "Ist doch alles nicht so schlimm. Morgen ist auch noch ein Tag …" etc.
Mark Formanek und sein Tauschkoffer
Mark Formanek und sein Tröster-Mobil
Schaufensterleser lesen die Hindenburgstraße ab.
Ruppe Koselleck bereitet die feindliche Übernahme von BP vor.
im Auftrag des City Managements Mönchengladbach, ArtSaturday 2005
Der finnische Performer Roi Vaara als White Man in Mönchengladbach.
1983 startete Vaara seine Serie von öffentlichen Auftritt als 'White Man'. In der Folge kam es zu einer regelrechten Invasion monochromer Gestalten in den Städten. An die souveräne Gelassenheit des Originals, für den Monochromie kein Schauspiel-Kunststückchen sondern Seinshaltung ist, können all diese Nachahmer indes nicht ranreichen.
Der Ort setzt das Thema: Konsum, Wirtschaft, Geld … Strategien der Werbung werden eingesetzt und umgewandelt. Eingreifen, umdeuten, transformieren, heißt die Devise. Der Phantasie sind wie immer keine Grenzen gesetzt.
Es geht darum, im allgemeinen Kaufrauschen einen speziellen Ton zu erzeugen, der nicht einfach nur mitrauscht, sondern hellhörig macht. Und wer sich angesichts solcher Begegnungen verwundert die Augen reibt und sich fragt: „Ja, ist das denn die Möglichkeit?“, der ist auch schon mitten angekommen in der Mönchengladbacher MÖMENTA. Voila!
Der Rising Dog hebt und senkt sich durch das Wagendach.
Text: Matthias Schamp - aus dem Programmheft zu Nachtaktiv + ArtSaturday 2005 / Fotos: Martin Brand, Helmut Dick, Schamp-Archiv
Helmut Dick und sein Rising Dog
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